Wird die Gefahr durch Ebola unterschätzt?

News: Medizin

Für Sie aufgespürt und zusammengefasst von Dr. Marcus Mau.

Mehr als 4.000 Tote in Westafrika und die Epidemie ist nicht zu stoppen. Aus den USA wird indes der zweite bestätigte Ebolafall außerhalb Afrikas gemeldet. Wie sich der Patient ansteckte? Unklar. Am wahrscheinlichsten sind Fehler während des Wechsels der Schutzkleidung. Und obwohl sich die Menschen hierzulande immer mehr sorgen, die deutschen Experten sind sich einig: Für Deutschland besteht keine direkte Gefahr einer Ebolaausbreitung. Doch eine intensivere Nachrichtenschau aus aller Welt lässt Zweifel an den hiesigen Aussagen aufkommen. Wird das Ebola-Virus womöglich unterschätzt?

Streikendes Flughafenpersonal, Einreiseuntersuchungen bei Ankunft aus einem westafrikanischen Land, das von Ebola betroffen ist. All dies geschieht beispielsweise in den USA und in Großbritannien. Damit soll die Einschleppung des Virus verhindert werden. Obgleich Deutschland mit Frankfurt am Main - will man den statistischen Modellen glauben - einen der verwundbarsten Flughäfen für einen Ebolaimport hat, sagen die wissenschaftlichen Experten sowie Gesundheitsminister Gröhe, dass das Risiko für die deutsche Bevölkerung bei nahe null liegt. Der Virologe Alexander Kekulé differenzierte im ZDF-Interview sogar, dass einzelne Ebola-Fälle auch in Deutschland nicht völlig auszuschließen seien, es aber generell keinen Grund zu größerer Sorge gäbe. Letztlich wird es keine Temperaturmessung für Flugpassagiere in Deutschland geben. Noch nicht.
Deutschland besitzt gut ausgestattete Isolierstationen – tatsächlich?

Sind nicht die USA vergleichbar gut ausgestattet wie Deutschland? Und dennoch gibt es dort bereits den zweiten bestätigten Ebolafall außerhalb Afrikas. Wie kann das sein? Nun, offensichtlich haben sich die betroffenen Pflegekräfte aufgrund mangelnder Schulung einen fatalen Fehler erlaubt. Und Fehler passieren leider immer wieder, umso häufiger, je weniger das Gesundheitspersonal auf solche Krankheiten wie Ebola vorbereitet wird. Menschen können Fehler machen, immer und zu jeder Zeit. Auch in Madrid machte eine Pflegehelferin einen Fehler und kämpft derzeit auf einer Isolierstation um ihr Leben.

In Deutschland gibt es spezialisierte Zentren, in denen Ebolapatienten fachgerecht betreut werden können, so z. B. in Hamburg, Frankfurt, Leipzig, Düsseldorf, München, Stuttgart und Berlin. „Insgesamt stehen 50 Betten zur Verfügung, praktisch aber wahrscheinlich nur 25“, so Kekulé auf süddeutsche.de. Fünfundzwanzig Betten? Da bleibt zu hoffen, dass jeder Infizierte, der das Land erreichen sollte, auch sofort erkannt und isoliert werden kann. Zwar zeigten Erfahrungen mit dem Marburgvirus, dass selbst nach Ausbruch der Erkrankung sehr selten Familienmitglieder und soziale Kontakte angesteckt wurden. Doch handelte es sich beim Marburgvirus seinerzeit auch um einen sehr begrenzten Ausbruch mit schnell erfolgter Isolation der betroffenen Labormitarbeiter. Welche Kreise ein unerkannter oder auch abgewiesener Fall in nur wenigen Tagen ziehen kann, zeigte vor einigen Tagen Patient null in Dallas, USA.
Übertragungswege noch immer nicht vollständig verstanden

Trotzdessen, dass das Ebolavirus bereits seit 40 Jahren bekannt ist, gibt es weder einen Impfstoff noch eine wirkliche Therapie. Ebensowenig kennt man bis heute die genauen Übertragungswege des Virus. Fakt ist, dass es über den direkten Kontakt zu Körperflüssigkeiten von Infizierten oder über von ihnen kontaminierte Oberflächen übertragen wird. Besonders gefährlich sind dabei Blut, Erbrochenes und Sperma, aber auch Stuhl, Tränen oder die Muttermilch.

Wie schnell verbreiten sich Viren?
Die Übertragung über kontaminierte Gegenstände ist nicht nur bei Ebola ein effektiv funktionierender Infektionsweg. US-Forscher demonstrierten unlängst, wie schnell sich Viren von einer kontaminierten Oberfläche, z. B. einer Türklinke, ausbreiteten. Innerhalb von zwei bis vier Stunden waren bis zu 60% aller Oberflächen und Mitarbeiter im Testpflegeheim durchseucht. Zum Glück verwendeten die Forscher für ihren Test harmlose Bakteriophagen, die für Menschen vollkommen ungefährlich sind. Dennoch vermag dieses Experiment gerade in Zeiten der Ebola-Epidemie wachzurütteln, jederzeit ein Höchstmaß an Vorsicht und Hygiene walten zu lassen. Weitaus unberechenbarer als die Ansteckungswege sind die Veränderungen, die das Ebola-Virus jederzeit mit jedem weiteren Infizierten durchlaufen könnte.

Das Ebola-Virus verändert sich
Anfang Oktober teilte der UN Ebola-Beauftragte Anthony Banbury in einer Pressekonferenz mit, dass er die Sorge habe, Ebola könnte zu einem über die Luft übertragbaren Erreger mutieren. Wörtlich sagte er: „Je länger das Virus im epidemiologischen Schmelztiegel Westafrika zirkuliert, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass es schließlich mutiert.“ Bereits heute wissen die Forscher, dass der aktuelle Ausbruch zu mehr als 200 bis 300 Mutationen im Genom des Ebolavirus geführt hat. Welche Auswirkungen dies auf die Aggressivität und Ansteckungsrate haben könnte, bleibt derzeit jedoch unbeantwortet. Dennoch wäre ein solches Szenario mit einem durch die Luft übertragbaren Ebolavirus ein Albtraum und die schiere Vorstellung sollte eigentlich bereits genügen, um die Weltgemeinschaft entschiedener gegen die Krankheit ankämpfen zu lassen. Doch auch weiterhin laufen die Maßnahmen in Westafrika der Seuche viel zu oft hinterher; ein rasches Ende ist nicht in Sicht. Eines machten die Ärzte ohne Grenzen in diesem Zusammenhang bereits vor wenigen Wochen unmissverständlich klar: Der wichtigste Schritt, Ebola zu besiegen, liegt darin, jetzt die Neuansteckung mittels lückenloser Quarantänemaßnahmen zu verhindern.

Wie gefährlich ein über die Luft übertragbares Ebola-Virus sein könnte, zeigten Forscher bereits 2012 in einem Laborversuch an Mäusen. Sie infizierten gentechnisch veränderte Nager unter anderem mit dem Ebola-Stamm Zaire und dem Marburgvirus, zum einen über eine direkte Injektion ins Bauchfell, zum anderen über virushaltige Aerosole (feine Flüssigkeitströpfchen). Obwohl die über Aerosole verbreiteten Viren etwas weniger ansteckungsfähig waren, führten doch beide Infektionswege sehr sicher zum Tod der Tiere.
Quelle:
Lever MS et al. 2012. Lethality and pathogenesis of airborne infection with filoviruses in A129 α/β -/- interferon receptor-deficient mice. J Med Microbiol. 2012 Jan;61(Pt 1):8-15

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