Mit der Zahnbürste gegen Darmkrankheiten

News: Medizin

Für Sie aufgespürt und zusammengefasst von Dr. rer. nat. Marcus Mau.

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind entzündliche Darmerkrankungen und gehen wohl teilweise auf Veränderungen des Darm-Mikrobioms zurück. Dass solche Veränderungen ihren Ausgang am anderen, dem entgegengesetzten Ende unseres Körpers, nämlich in der Mundhöhle haben könnten, zeigte eine aktuelle Studie im Mausmodell.

Es sind immer wieder solche Zufälle im Leben von Forschern, welche diesen Beruf so abwechslungsreich und spannend machen. Wie sonst ist es zu erklären, dass jemand auf die Idee kommt, nur weil Stuhlproben von Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen auffällig viele Bakterien der Mundflora enthielten, hier auf einen möglicherweise kausalen Zusammenhang zu schließen.
Atarashi und Kollegen regte genau diese bloße Anwesenheit von Bakterien aus dem Mund in Stuhlproben zu weiteren Experimenten an. In der Folge gewannen sie orale Bakterienproben von Crohn- und Ulcerosa-Patienten, welche sie auf Mäuse übertrugen – die Ergebnisse überraschten.

Antibiotikaresistenzen als Motor?
In einem ersten Experiment nahmen die Studienautoren Speichel von Crohn- und Ulcerosa-Patienten und „behandelten“ damit Mäuse, denen der Darm in einem vorausgegangenen Schritt vollständig keimfrei gemacht worden war. Einige der Mäuse entwickelten daraufhin Entzündungen des Darms, die mit entzündlichen Darmerkrankungen beim Menschen vergleichbar waren.

Bei genauerem Hinsehen zeigte sich zudem, dass vor allem Klebsiella pneumoniae bei den Entzündungsreaktionen eine größere Rolle spielte. Dieses Bakterium ist im Allgemeinen in der Mundhöhle zuhause und nur sehr selten in Darm oder Stuhl anzutreffen.
Noch interessanter wurde es, als die Forscher die Bakterien direkt in den Darm von gesunden, nicht vorbehandelten Mäusen einbrachten. Diese Tiere entwickelten keinerlei Anzeichen einer Entzündung. Wurden die Mäuse allerdings mit Antibiotika behandelt, welche aufgrund vorbestehender Resistenzen auf Klebsiellen selektierten, dann traten auch wieder die zuvor beobachteten Entzündungen im Darm der Tiere auf. Dies zeigte sehr deutlich, dass Klebsiellen, die in der Tat gegen eine Vielzahl von Antibiotika resistent sein können, die normale Darmflora nach einer Antibiotikatherapie ersetzen und damit den Grundstein für entzündliche Darmerkrankungen legen können.    

Entzündungsreaktion durch T-Zell-Antwort
Die Klebsiella-Stämme aus dem Speichel aktivierten im Darm TH1-Helferzellen, die die weitere Immunantwort induzierten. „Insgesamt betrachtet, können antibiotika-resistente Klebsiellen eine dysbiotische Darmflora in genetisch vorbelasteten Patienten übernehmen und schrittweise ersetzen, was zu starken Entzündungen im Darm führen kann“, so die Forscher.

Die Mundhöhle könnte demnach eine Reihe darmpathogener Bakterien enthalten, welche Darmkrankheiten fördern oder den Verlauf entzündlicher Erkrankungen verschlechtern. „Wenn sich unsere Annahmen bestätigen, dann wäre es möglich, dass Crohn- und Ulcerosa-Patienten vielleicht zukünftig mit desinfizierenden Medikamenten behandelt werden“, so die Studienautoren abschließend. Zumindest jedoch wäre eine Stuhlprobe und die Bestimmung der darin enthaltenen Bakterienspezies angeraten, um etwaige Dysbalancen im Darm-Mikrobiom erkennen und ausgleichen zu können.
Die Erkenntnis, dass wahrscheinlich jeder Mensch sein ganz individuelles Darm-Mikrobiom trägt, macht die Forschung und klinische Nutzung solcher Ansätze derzeit natürlich noch nicht leichter. Allerdings ist vielleicht der nächste, alles verändernde Zufallsbefund gar nicht mehr so weit. Bis dahin gilt jedoch: Ordentlich Zähneputzen gegen entzündliche Darmerkrankungen und, nur um ganz sicher zu gehen, den Antibiotikaeinsatz weiter reduzieren.

Quelle:

Ectopic colonization of oral bacteria in the intestine drives TH1 cell induction and inflammation. Atarashi K et al. Science 2017; 358(6361): 359-365; DOI: 10.1126/science.aan4526

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