Angst vor dem Zika-Virus

News: Medizin

Für Sie aufgespürt und zusammengefasst von Dr. Marcus Mau.

Die Welt hat einen neuen Feind. Und selbst die WHO ruft diesmal recht früh den internationalen Notstand aus. Aber Moment! Ganz so neu ist das doch alles nicht, oder doch? Nein, vieles erinnert an die Ebola-Krise in den vergangenen zwei Jahren. Der neue Feind: das Zika-Virus. Doch erst einmal hübsch der Reihe nach.
In Brasilien sind derzeit etwa 1,5 Millionen Menschen mit dem Zika-Virus infiziert, so schätzen die Experten. Das Virus wird überwiegend durch Mücken übertragen und steht im Verdacht, beim ungeborenen Kind zu Fehlbildungen am Kopf zu führen, zum sogenannten Mikrozephalus. Angeblich sei die Situation nach Meinung vieler Medien nun auch dank des raschen Eingreifens der WHO mit der Ebola-Epidemie in Westafrika vergleichbar. Obwohl Ebola aufgrund der sehr schnellen und dramatischen Krankheitsverläufe sicher noch in einer anderen Liga spielt als das Zika-Virus, drängen sich tatsächlich einige Parallelen auf. Ganz ähnlich wie Ebola ist Zika bereits seit Längerem bekannt, seit genau 70 Jahren. Und ebenso wie bei seinem todbringenden „Vetter“ hatte es bis dato niemand für nötig erachtet, das Virus genauer zu studieren oder sogar Impfstoffe und Therapien dagegen zu entwickeln. Ein Schelm, wer nun Böses denkt.

Doch genau wie Ebola war und ist Zika hauptsächlich eine Tropenkrankheit. Denn das Zika-Virus ist vor allem in Afrika und Asien zuhause. Nun hat es aber, so die Experten, sehr wahrscheinlich während der letzten Fußball-WM den Sprung nach Südamerika unternommen. In der Gelbfiebermücke (Aedes aegyti) fand das Virus seinen Wirt und verbreitet sich seitdem ungehemmt in einem der bevölkerungsreichsten Staaten der Welt. Und warum ist Zika dann plötzlich weltweit von so großem Interesse? Kinder mit viel zu kleinen Köpfen gab es doch auch schon viel früher in Mikronesien und Polynesien. Auch dafür scheint das Virus verantwortlich zu sein. Aber trotz dieser Ausbreitungstendenz des Zika-Virus gen Westen blieb der weltweite Aufschrei damals aus. Ist das Virus heute etwa gefährlicher geworden? Natürlich nicht. Doch in wenigen Monaten beginnen die Olympischen Spiele in Brasilien, da kommt das Virus sehr wahrscheinlich zur denkbar ungünstigsten Zeit. Doch was verbirgt sich tatsächlich hinter dem Zika-Virus? Müssen wir tatsächlich Angst in Deutschland haben?
Steckbrief Zika-Virus
Das Zika-Virus gehört in die Gruppe der Flaviridae, zu denen z. B. auch Dengue, West-Nile-Virus und Japanische Enzephalitis zählen. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch die sogenannte Gelbfieber-Mücke Aedes aegypti. Die Mücke Aedes aegypti ist als Überträger des Gelbfiebers bereits seit Jahrhunderten sehr zahlreich in Südamerika vertreten, was die Virusausbreitng natürlich erleichtert. Doch bereits im Jahr 2007 gab es einmal einen Ausbruch auf einer entfernt gelegenen Pazifikinsel. Bis zu jenem Tag galt das Zika-Virus einzig auf Afrika und Südostasien beschränkt.
Symptome einer Zikavirus-Infektion

Die Erkrankung verläuft meist mild und gleicht vom Symptomenkomplex her vor allem der Dengue- oder der Chikungunya-Infektion. Die Infizierten leiden nach einer Inkubationszeit zwischen 3 und 12 Tagen unter subfebrilem bis mäßigem Fieber, Hautausschlag sowie Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen. Eine nichteitrige Konjunktivitis ist ebenfalls nicht selten. Der weitaus größte Anteil der Infektionen jedoch verläuft asymptomatisch, so vermuten Fachleute.

Hohe Durchseuchung in immunologisch naiven Populationen
Treten Zika-Viren erstmals innerhalb einer Population auf, so rechnen Experten mit einem anfangs sehr hohen Infektionsdruck. Einige Erfahrungen konnte man bereits bei den Ausbrüchen in Polynesien und Mikronesien machen. So waren auf der mikronesischen Insel Yap im Jahr 2007 wohl mehr als 70 % der Bevölkerung im Alter von > 3 Jahren infiziert.

Mittlerweile gilt als erwiesen, dass das Zika-Virus, dass sich derzeit in Brasilien ausbreitet ursprünglich zum asiatischen Genus gehörte und sehr wahrscheinlich im Zuge der WM 2014 mit Touristen ins Land kam. Seit Mitte 2015 explodieren nun die Infektionszahlen regelrecht und neben Brasilien sind unterdessen auch Kolumbien, Venezuela und Staaten Mittelamerikas betroffen. Von Brasilien aus könnte sich das Virus im Zuge der bevorstehenden Olympischen Spiele auch weltweit ausbreiten. Diese Bedrohungslage rief unlängst die WHO auf den Plan, die nun nach reichlicher Prüfung der Sachlage den globalen Gesundheitsnotstand ausrief.
Pränataler Mikrozephalus: Zusammenhang unklar
Seit Oktober 2015 kam es zu einer Häufung von schweren Fehlbildungen bei einer Reihe von Neugeborenen in Brasilien. Die meisten dieser Kinder litten an einer ausgeprägten Mikrozephalie mit resultierender geistiger Retardierung und frühem Säuglingstod. Obgleich es in einem Fall eines betroffenen Kindes gelang, Zika-Viren aus dem Blut zu isolieren, ist der kausale Zusammenhang zwischen Virusinfektion und Mikrozephalus noch nicht hinreichend belegt. Auch im Fruchtwasser zweier Schwangerer mit fehlgebildeten Embryos wurde Virus-RNA nachgewiesen. Besonders Frauen im ersten und zweiten Schwangerschafts-Trimester gelten als gefährdet.

Interessant: In Französisch Polynesien kam es bereits 2014/15 zu einer Zika-Virus-Epidemie und auch dort wurden auffallend häufig fehlgebildete Kinder geboren. Gemeinsam mit der Mikrozephalie wurden hier Hirnfehlbildungen, polymalformatives Syndrom mit Hirnbeteiligung sowie Stammhirn-Dysfunktionen mit Schluckstörungen beobachtet. Die vier untersuchten Mütter hatten allesamt Virus-Antikörper in ihrem Blut. Sie konnten sich aber nicht daran erinnern, je an Zika erkrankt gewesen zu sein.
Besteht ein Risiko in Deutschland?

In der nächsten Zeit werden Ärzte wohl häufiger auf verunsicherte Patientinnen treffen, die vielleicht eine Reise in die derzeitigen Zika-Virus-Gebiete planen. „Muss ich mir jetzt Sorgen machen?“ ist ganz gewiss eine der häufigsten Fragen in diesem Zusammenhang. Doch wie reagieren Sie darauf?

Im Allgemeinen ist die Gefahr, sich z. B. in Deutschland mit Zika-Viren zu infizieren beinahe ausgeschlossen, da sich die Vektoren, also die betreffenden Mückenarten, bei uns (noch) nicht dauerhaft ansiedeln bzw. weiter ausbreiten können. Jedoch kommt bei uns beispielsweise die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus ) auch in Süddeutschland vor. Ob sie aber eins geeigneter Überträger für Zika-Viren ist ? Bisher jedenfalls  ist noch kein solcher Fall bekannt geworden.
Nach Ansicht der Experten besteht jedoch ein geringes Restrisiko der Ansteckung auf sexuellem und perinatalem Weg. Infizierte Reiserückkehrer stellen hier einen Risikokontakt dar. Es kann jedoch zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass das Virus auch sexuell, also ohne Mücke als Vektor, übertragbar ist. Dazu gibt es bis dato nur zwei ältere Einzelfall-Beobachtungen aus den USA, in denen das Virus unter anderem im Ejakulat nachgewiesen wurde.

Das größte Infektionsrisiko besteht jedoch weiterhin für Reisende, die beispielsweise nach Brasilien oder in andere betroffene südamerikanische Staaten, nach Afrika bzw. Südostasien fliegen.
Aktuelle Reiseempfehlungen mit Stand Januar 2016

Aufgrund der Tatsache, dass selbst nach 70 Jahren, die das Virus bereits bekannt ist, weder spezifische Therapien noch Impfungen gegen Zikavirus-Infektionen verfügbar sind, gründet sich die individuelle Prävention in Risikogebieten darauf, Mückenstiche zu vermeiden. Dabei aber bitte nicht vergessen: Mücken der Gattung Aedes stechen auch tagsüber!

Die folgenden Empfehlungen für Reisende in betroffenen Ländern sollten beachtet werden:
  • Reisende in tropische Länder auf mittlerweile allen Kontinenten sollten sich über den aktuellen Stand der Zika-Virus- Infektionen informieren und sich in geschlossenen Räumen und im Freien gegen Mückenstiche schützen. Am besten gelingt dies mithilfe von Insektenschutzmitteln (sog. Repellents), bedeckende Kleidung und in nicht klimatisierten Zimmern durch das Nutzen von Bettnetzen.
  • Reisende, die innerhalb von drei Wochen nach der Rückkehr aus einem betroffenen Gebiet Symptome entwickeln, die eine Infektion mit dem Zikavirus vermuten lassen, sollten einen Arzt aufsuchen. Wichtig für den Arzt ist es, auch an eine umfassende Reise-Anamnese zu denken! Wer ganz sicher gehen will, kann eine umfassende Zikavirus-Diagnostik beispielsweise beim Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (Nationales Referenzzentrum für tropische Infektionserreger) in Hamburg beauftragen. Ärzte sollten immer daran denken, auch eine Urinprobe ihres Patienten für den Virusdirektnachweis (RT-PCR) einzuschicken.
  • Schwangere, die in Endemie-Gebiete gereist waren, und potenziell Kontakt mit dem Zika-Virus gehabt haben, sollten ihren Frauenarzt bei Vorsorgeuntersuchungen darauf hinweisen.
  • Schwangere, Menschen mit einer Immunstörung oder einer anderen schweren chronischen Krankheit sowie Reisende mit kleinen Kindern sollten vor der Reise den Hausarzt aufsuchen oder sich von einer reisemedizinischen Einrichtung beraten lassen. Die Deutsche Tropenmedizinische Gesellschaft (DTG) empfiehlt derzeit Schwangeren, von Reisen in bekannte Zikavirus-Gebiete Abstand zu nehmen. Bei unvermeidlichen Reisen muss zwingend auf konsequenten Mückenschutz geachtet werden. Das Auswärtige Amt schließt sich dieser Empfehlung z. B. für die Endemiegebiete in Brasilien an.
Gesundheitsnotstand – Und nun?
Momentan bekommt die Entwicklung einer Impfung gegen Zika-Viren oberste Priorität. Dafür hat die Europäische Union kürzlich zehn Millionen Euro an Forschungsgeldern ausgelobt. Zika-Viren unterscheiden sich zudem in einem besonderen Punkt von z. B. Dengue, was durchaus Hoffnung macht. Der Experte der Gesellschaft für Virologie Prof. Dr. med. Christian Drosten sagt: „Anders als beim Dengue-Fieber kann sich der Mensch nur einmal im Leben mit Zika-Viren anstecken. Danach ist er lebenslang immun.“ Es ist also denkbar, dass die derzeitige Virusausbreitung eine immune Bevölkerung hinterlässt und dazu führt, dass die Zika-Epidemie letztenendes selbstlimitierend sein wird.

Bleibt zu hoffen, dass dieses Statement auf 70 Jahren wissenschaftlicher Erkenntnisse beruht und nicht nur eine Hoffnung der Experten ist. Den Frauen in Brasilien nützt dies unterdessen wenig. Immer mehr Schwangere gehen dort den Weg der Abtreibung; manche angeblich sogar, ohne das Testergebnis auf Zika-Viren überhaupt abzuwarten. Zu groß ist die Angst vor einem mikrozephalen Kind.

Quelle: Gesellschaft für Virologie; RKI, Epidemiologisches Bulletin 2/2016, Ärztezeitung.de
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