Liebe mit Hindernissen
Hintergründe: Medizin
Dr. rer. nat. Marcus Mau im entspannten Gespräch mit dem Dortmunder Dermatologen Dr. med. Schulte Beerbühl.Häufig fängt es ganz langsam an: rötliche Bläschen, blumenkohlartige Hautgewächse, Schuppen, offene Wunden oder dieser unbeschreiblich aufregende Juckreiz. Die Übeltäter sind meist Viren, Bakterien oder Pilze, die unsere Schleimhäute – Mund, Nase und Genitale – in vielerlei Gestalt besiedeln und sich dort ganz wie zuhause fühlen. Das Liebesleben der Betroffenen kann darunter empfindlich leiden. Doch leider ist es für das ungeübte Auge nicht immer so leicht, die Ursache der Symptome auf den ersten Blick zu erkennen.
Seit einigen Jahren sind Geschlechtskrankheiten, wie Gonorrhoe, Syphillis und Chlamydien-Infektionen, in Deutschland wieder auf dem Vormarsch. Doch um sie soll es hier eigentlich gar nicht gehen. Geschlechtskrankheiten sind nämlich nur die eine Hälfte der Geschichte. Es gibt darüber hinaus weit mehr zu entdecken, was die Liebe und die Intimität zweier, oder – aus Sicht der Viren – besser beliebig vieler Menschen für uns bereit hält.
Insbesondere die Schleimhäute des Mundes sowie
die unserer Genitalien sind mit ihrer Feuchtigkeit und Wärme ein ideales Siedlungsgebiet
für allerlei Bakterien und Pilze. Nicht immer ist es dann leicht, bakterielle,
virale oder durch Pilze verursachte Erkrankungen abzugrenzen. Die genaue
Diagnose jedoch ist entscheidend, um schnell und zielsicher behandeln zu
können. Deshalb gilt: „Wenn es untenrum juckt oder da etwas auftaucht, das dort
wohl nicht hingehört, ab zum Arzt!“, fasst Dr. med. Schulte Beerbühl,
Dermatologe aus Dortmund, die Reaktion auf den ersten Schreck für Betroffene
zusammen.
Kleines
Bläschen, große Wirkung
Den Reigen der kleinen „Liebesgeschenke“ eröffnen
die gruppierten Bläschen auf gerötetem Grund. Ihnen voraus geht eine Neuralgie
und es finden sich in den meisten Fällen regionäre Lymphknotenschwellungen.
„Das ist ein typischer Herpes. Da gibt es nichts anderes“, so Schulte Beerbühl.
Typisch für einen solchen Herpes sei zudem das „rezidivans in loco“, d. h. das beharrliche
Wiederauftreten der Bläschen an immer dergleichen Stelle, wie z. B. an den
Lippen.
Nun wäre die Welt der Mediziner ja so einfach,
gäbe es den Herpes nicht auch noch weit weg vom Mund, wie so mancher oder
manche bereits schmerzvoll erleben musste. Die Herpes-Infektion ist nämlich durchaus
für zwei Orte des Körpers typisch. Im Bereich der Lippen findet sich der Herpes
labialis, der durch das Herpes simplex-Virus Typ I verursacht wird. Zum anderen
gibt es aber am Genitale den Herpes genitalis, der auf die Infektion mit Herpes
simplex Typ II zurückgeht.
Erschwerend kommt hinzu, dass beide
Herpesviren untereinander ausgetauscht werden können, also alles andere als
ortstreu sind. Möglich wird dieser Austausch durch heutzutage weitverbreitete
Sexualpraktiken, wie etwa den Oralverkehr. Er macht es beiden Virustypen sehr
leicht, zwischen Mund und Genitale zu wandern. Am Ende der Reise findet sich
Herpes simplex Typ I eben dann auch im Genitalbereich und Herpes simplex Typ II
an den Lippen.
Für den behandelnden Arzt hat das durchaus
Konsequenzen, denn die Behandlung der Herpesinfektionen richtet sich nach dem Typ
des Erregers. Darüber hinaus ist gerade der Genitalherpes eine sehr schmerzhafte
Sache, die das Liebesleben eines jeden infizierten Menschen kurzerhand zum
Erliegen bringen kann. Damit die Bläschen nicht immer wieder neu durchbrechen,
hilft eigentlich nur die permanente Unterdrückung der Viren mithilfe
antiviraler Medikamente.
Im vergangenen Jahr präsentierte die
Arbeitsgruppe um Zeena Nawas von der University of Texas in Houston jedoch erstmals
Ergebnisse einer Phase-II-Studie zu einem experimentellen Impfstoff gegen
Herpes genitalis. Der Impfstoff mit dem schlanken Namen „GEN-003“ ist sehr
vielversprechend, denn er reduzierte zuverlässig die Läsionen der Testpersonen
und verhinderte die Freisetzung neuer Virsupartikel.
Ein
Fußpilz auf Pilgerreise
Doch neben den Herpesviren gibt es noch so
manch anderen Erreger, der das Liebesglück des Menschen empfindlich stören
kann. Der Fuß- und Nagelpilz ist eine in Deutschland sehr weit verbreitete
Pilzerkrankung, welche langfristig und doch oft reversibel zur Zerstörung des
betroffenen Zehennagels führt. „Bei gesunden Menschen bleibt die Erkrankung auf
die Zehen und Füße lokalisiert und kann dort z. B. mit Lacken, Cremes und einer
großen Portion Geduld relativ gut behandelt werden“, stellt Schulte Beerbühl
klar.
Bei älteren Menschen und Immungeschwächten allerdings
kann der Fuß- und Nagelpilz in eine ausgedehnte Tinea corporis übergehen. Dabei
wandern die Pilze dann sogar bis zum Po oder in die Genitalregion. Wie das
passieren kann? Ganz einfach. Niemand zieht sich seine Unterhose über den Kopf
an, oder? In der Regel wird gezogen und geschoben, wobei
die Füße regelmäßig am Stoff der Unterhose hängen bleiben. Genau in einem
solchen Moment wird der Pilz schließlich in die Unterhose verschleppt. Der einstmals an den Füßen beheimatete Pilz hat
es nun bis in den Genitalbereich geschafft. In der Folge kommt es zur
großflächigen Rötung, was nicht nur unangenehm aussieht.
„Gegen solch ausgedehnte Pilzinfektionen der
Haut hilft anfangs ein antientzündlich, antimykotisch und antibakteriell (Anm. d. Red.: gegen mögliche bakterielle Superinfektionen)
wirksames Medikament. Für die vollständige Ausheilung bedarf es dennoch später
einer weitergehenden Systemtherapie“, rät Schulte Beerbühl seinen Kollegen gern in
einer solchen Situation.
Warzen
sind echte Vermehrungskünstler
Bei den Warzen handelt es sich zumeist ebenfalls
um durch Viren hervorgerufene Hautwucherungen. Sehr schnell werden sie sehr
zahlreich und zudem vergleichsweise groß. In der Genitalregion treten vor allem
Dellwarzen auf, aber immer häufiger trifft man ebenso auf die sogenannten Feigwarzen.
Letztere gehen auf eine Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV), z. B. HPV 6
und 11, zurück.
Die Dellwarzen, die einigen noch besser unter
ihrem Fachnamen „Molluscum contagiosum“
bekannt sind, gelten als hoch ansteckend – Name verpflichtet eben manchmal doch.
Die Ursache der Dellwarzen ist eine Infektion mit einem Verwandten des
Pockenvirus. Obgleich Dellwarzen allgemein langsam wachsen, können sich aus
einigen wenigen Herden großflächig verstreute Warzen bilden.
„Am besten geht Mann bzw. Frau schnellstmöglich
zum Hautarzt. Denn je länger abgewartet wird, desto größer kann die Belastung
mit den Warzen am Ende werden. Am Anfang entdeckt man vielleicht drei
Dellwarzen. Nach einem halben Jahr des Abwartens sind es schon 30. Und einige
Zeit später sind es plötzlich 300! Den vermeintlichen Spaß hat dann nicht mehr
allein der Hautarzt, denn es kann durchaus müßig sein und seine Zeit dauern, um
solche Warzen wieder loszuwerden“, rät Dr. Schulte Beerbühl, aufgrund seiner
reichen Erfahrung auf diesem Gebiet.
Bitte zurückhaltend
„entwalden“
Warzen erleben aber auch gerade in der
modernen Zeit des sogenannten intimen Kahlschlags eine sichtliche Blüte. Das
gilt insbesondere für die Feigwarzen, welche durch HP-Viren ausgelöst werden.
Die weithin verbreitete Intimrasur schafft zahlreiche Mikroverletzungen der
Haut, die wiederum aus Sicht der Viren herrliche Eintrittspforten darstellen,
um sich weiter zu verbreiten. Einmal im Gewebe angelangt, können sich die durch
die Viren verursachten Feigwarzen zu einer sehr schweren Erkrankung auswachsen.
In schweren Fällen wird z. B. das beste Stück
des Mannes durch den blumenkohlartigen, wilden Wuchs der Warzen nachhaltig
entstellt. Zwar gibt es mittlerweile erweiterte HPV-Impfstoffe, die vor der
Infektion schützen, doch sind diese nur hilfreich, solange noch kein ungeschützter
Geschlechtsverkehr zur Ansteckung geführt hatte.
In solchen Fällen, in denen sehr große
Warzenherde auftreten, muss das Warzenmaterial großflächig abgetragen und anschließend
mithilfe lokaler Therapiemaßnahmen zielgerichtet bekämpft werden. Das kostet
viel Zeit und vor allem dem Patienten ordentlich Nerven. Eine Laserbehandlung kommt
eigentlich, wenn überhaupt, nur für kleinere Warzen in Betracht, da das
Verfahren durchaus zu unschönen Narben führen kann.
Der
gutgemeinte Rat des Hautarztes
„Wächst etwas im Anal- oder Genitalbereich,
was dort nicht hingehört, oder vorher noch nicht da war, bzw. juckt es stark,
so geht es am besten gleich zum Arzt. Es gilt: Je früher solche
Viruserkrankungen oder auch Geschlechtskrankheiten erkannt und behandelt
werden, desto kürzer ist die individuelle Leidenszeit und desto seltener treten
Komplikationen oder Spätfolgen auf“, fasst Dr. Schulte Beerbühl die
wichtigsten Punkte im Umgang mit Herpes & Co für Patienten und ihre
behandelnden Ärzte zusammen.
Quellen:
Vortrag Schulte Beerbühl:
„Dermatose in der Hose“; 8. Urogynäkologie-Kongress, Berlin 2016Nawas Z et al., American Academy of Dermatology (AAD) 74th Annual Meeting. Presented March 5, 2016
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