Mit Prostatakrebs im Netz: Das Für und Wider von "Dr. Internet"
News: Medizin
Für Sie aufgespürt und zusammengefasst von Dr. rer. nat. Marcus Mau.Die Diagnose Prostatakarzinom ist selbst für starke Männer oft erst einmal ein herber Dämpfer. Vom einen auf den anderen Moment sieht sich ein betroffener Mann plötzlich mit Krankheit und der Vergänglichkeit konfrontiert. Um mit der neuen Situation im Leben umgehen zu können, bedarf es sogenannter Bewältigungsstrategien. Nicht immer sind diese jedoch angebracht und günstig für den weiteren Verlauf. So kann es bestenfalls beispielsweise dazu kommen, dass Mann sich mehr mit seiner Krankheit auseinandersetzt. Aber in einigen Fällen verfallen Männer in depressive Phasen oder begehen sogar Selbstmord. Viele Männer jedoch schauen glücklicherweise kurz nach der Diagnose ins Internet, um dort weitere Informationen zu erhalten. Dass auch der Weg ins Netz so seine Tücken haben kann, möchte ich Ihnen gern im heutigen Blogpost näherbringen.
Normalerweise sollten alle wichtigen Informationen zum Prostatakarzinom ja bereits während des Arzt-Patienten-Gesprächs besprochen worden sein. Doch nicht immer gelingt das so, wie es eigentlich sollte. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe, welche die Informationsvermittlung erschweren können:
1. ÄrztInnen haben meist nur ein sehr enges Zeitkontingent und können dem Patienten daher nicht den Freiraum geben, den er benötigt, um tiefer in Details einzusteigen.
2. Der Patient ist nach seiner Krebsdiagnose in der Regel innerlich sehr aufgewühlt und daher nur eingeschränkt aufnahmefähig. Ein Großteil der Fragen und Antworten um seine Erkrankung herum dringen deshalb kaum oder gar nicht zu ihm durch.
Zuhause angekommen, werden viele Männer später nach mehr Informationen suchen, vor allem um gegen innere Ängste anzukämpfen. Am häufigsten führen die Betroffenen dann eigene Recherchen im Internet durch. Doch Achtung: Längst nicht alle Informationsquellen im Internet sind fachlich fundiert oder als “vertrauenswürdig” anzusehen. Daher wird die Rolle des Internets als Quelle medizinischer Informationen derzeit auch kontrovers diskutiert.
Informationen gegen die Angst
Der Statistik nach leidet jeder dritte Mann mit einer Prostatakrebs-Diagnose unter einer klinisch relevanten Angst. Wer jedoch ängstlich ist, wird eine schlechtere Lebensqualität und ebenso eine schlechtere Prognose haben. Studiendaten zeigten zudem, dass die Therapieentscheidung und auch die Adhärenz, also das Einhalten einer einmal verordneten Behandlung, von Ängsten untergraben wird.So beeinflusst Angst beispielsweise die Entscheidung der Männer für oder gegen eine der Therapiealternativen beim Prostatakarzinom. So ist bekannt, dass etwa jeder fünfte Betroffene aus Angst vor dem Krebs die aktive Überwachung beendet und sich stattdessen lieber mit einer invasiven Therapieoption behandeln zu lassen.
Häufig sind die Entscheidungen von Informationen aus dem Netz getrieben. Die aktive Informationssuche im Internet hilft den Patienten nämlich, sich mit ihren Ängsten auseinanderzusetzen. Gleichzeitig bieten sich dadurch aber ebenso Angriffspunkte, um z. B. Ängste noch weiter zu verstärken. Wie das passieren kann? Nun, ungeprüfte Informationen im Netz stehen nicht selten im Widerspruch zu den ärztlichen Aussagen und sprechen insbesondere die Emotionalität der Situation an.
Darin liegen schließlich auch die Gefahren von ungeprüften Gesundheitsinformationen im Netz: Niedrigschwellige Angebote sind zwar leicht erreichbar, müssen jedoch nicht in jedem Fall auch fachlich korrekt sein. Darüber hinaus sind nur sehr wenige Angebote im Netz bisher überhaupt medizinisch geprüft. In einer großen Melanomstudie fanden ForscherInnen unlängst heraus, dass etwa ein Drittel der Krebspatienten Ängste durch das Internet abbauen konnten, doch ein weiteres Drittel gab an, dass die Informationssuche im Netz sogar noch größere Ängste verursacht habe.
Studie deckt Angstpotenzial im Netz auf
Eine aktuelle Studie mit Prostatakrebspatienten wollte nun gern klären, wie die Art der genutzten Informationsquelle, die Anzahl der Quellen sowie der wahrgenommene Grad an Informiertheit die Krankheitsangst beeinflussen können.Die Männer der Studie waren im Mittel circa 70 Jahre alt. Im Ergebnis zeigte sich unter anderem, dass die Internetnutzung (β = 3,28; p > 0,001), die Anzahl der genutzten Informationsquellen (β = 1,09; p > 0,01) sowie ein als geringer empfundener Informationsgrad (β = 4,49; p > 0,001) unabhängige Schätzfaktoren für die Angst bei Prostatakrebs waren.
ÄrztInnen sollten verlässliche Internet-Quellen kennen
Insgesamt betrachtet sind heute drei von vier Männern im Alter über 60 Jahre online. Gleichzeitig leiden diese Männer jedoch mit zunehmenden Alter auch häufiger an einem Prostatakarzinom. Die Ergebnisse der Berliner Studie zeigten für diese Männer, dass viele nach der Krebsdiagnose das Internet für die weitere Informationssuche nutzten. Andererseits jedoch ist gerade diese Online-Informationssuche teils mit einer gesteigerten Krankheitsangst assoziiert.Als bestes Mittel gegen die Angst gelten im Sinne dieser Studie medizinisch korrekte Informationen. ÄrztInnen sollten vielmehr ihren Patienten dabei helfen, Ängste und Unsicherheiten im Umgang mit dem Prostatakrebs abzubauen. Beispielsweise könnten sie am Ende eines Arzt-Patienten-Gespräches auf eine kleine Auswahl verlässlicher Online-Quellen eingehen. Welche genau dies sein könnten und wie ein solches Gespräch in der Regel abläuft, habe ich im Podcast-Interview mit Frau Isabella Otto von der Berliner Charité besprochen.
Quelle:
Hilger C et al., Urologe 2018; https://doi.org/10.1007/s00120-018-0769-1
Das Podcast-Interview führte Dr. rer. nat. Marcus Mau im Auftrag von esanum.de, wo das Gespräch am 26. Juni 2019 erstmals erschienen ist.
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