Diamanten im Hirn

News: Medizin

Für Sie aufgespürt und zusammengefasst von Dr. rer. nat. Marcus Mau

Die Aufnahme von Bildern des menschlichen Gehirns sowie dessen Therapie bei neurodegenerativen Erkrankungen ist in der aktuellen medizinischen Forschung noch immer eine große Herausforderung. Die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, eine Art Filtersystem des Körpers zwischen Blutkreislauf und dem Zentralen Nervensystem, erschwert es, Medikamente oder Kontrastmittel, die eine Therapie und Bildaufnahme erlauben würden, ins Gehirn zu schleusen. WissenschaftlerInnen aus Deutschland haben nun winzige Nanodiamanten hergestellt, die als Plattform sowohl für die Therapie als auch für die Diagnose von Erkrankungen des Gehirns dienen könnten.

Die Blut-Hirn-Schranke ist eine physiologische Grenzschicht, die hochselektiv arbeitet und das Gehirn schützt: Zum einen werden Krankheitserreger oder Gifte effektiv daran gehindert, in das Gehirn einzudringen, zum anderen können jedoch benötigte Boten- und Nährstoffe ungehindert passieren. Diese Selektivität macht es für Mediziner schwierig, das Gehirn zu untersuchen oder zu behandeln, da Medikamente oder auch kontrastgebende Mittel für bildgebende Verfahren die Barriere in der Regel nicht überwinden können.


Kleine „Edelsteine“ in der Gehirnforschung


Nano-Diamanten mit einer Größe im Bereich eines Millionstel Meters haben den Vorteil einer hohen Biokompatibilität: Sie sind für den Körper nicht abbaubar, sollen gut vertragen werden und eignen sich dadurch potenziell sowohl für Diagnose- wie auch für Therapiezwecke. Für ihre Forschung haben die WissenschaftlerInnen die Diamanten auf zwei Weisen verändert: Eine Beschichtung mit einem Biopolymer, basierend auf dem häufigsten Protein des menschlichen Blutes Serumalbumin, ermöglicht die Aufnahme in das Gehirn und erlaubt es später, Medikamente mit dem Diamanten zu verbinden. „Diamanten sind chemisch nicht reaktiv – das heißt Medikamentenmoleküle anzubinden ist schwierig“, so die ForscherInnen. „Mit der Albumin-Beschichtung haben wir die Möglichkeit, eine stabile Beschichtung zu erzeugen und fast beliebige Medikamente daran anzubinden.“

Mit Albumin beschichtete Nanodiamanten können die Blut-Hirn-Schranke überwinden und gezielt für Diagnose- und Therapiezwecke im Gehirn verwendet werden. ©MPI-P, Lizenz CC-BY-SA
Als weitere Modifikation wurde in den Diamanten gezielt ein Defekt eingebaut, indem ein Kohlenstoff-Atom in dem aus Kohlenstoff bestehenden Diamanten durch ein Stickstoff-Atom ausgetauscht wurde. Weiterhin befindet sich direkt neben diesem Stickstoff eine Leerstelle im Kristall. „Ein Diamant ist normalerweise sehr klar und im Idealfall lupenrein – Licht kann also einfach hindurchgehen“, erläuterten die ForscherInnen diesen Ansatz. „Indem wir nun gezielte Änderungen in der Gitterstruktur vornehmen, erzeugen wir Defekte, die es uns erlauben, den Diamanten durch Laserstrahlen oder auch durch Magnetresonanztomographen nachzuweisen: Er leuchtet sozusagen messbar auf.“

In-vivo-Versuche vielversprechend


In ihrer aktuellen Studie haben die WissenschaftlerInnen nun sowohl im Reagenzglas wie auch an Mäusen getestet, in wieweit das geschaffene Diamanten-Albumin-System die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. Sie konnten einen effektiven Transport der Diamanten in das Gehirn nachweisen, ohne dass dabei die Blut-Hirn-Schranke selbst angegriffen wurde.
Das neu entwickelte System hat den Vorteil, dass es an die zu behandelnde Person angepasst werden kann und so eine hochindividuelle Diagnostik und Therapie erlauben könnte. So könnte eine Modifikation der Oberfläche der Diamanten dafür sorgen, dass nur bestimmte Zelltypen im Gehirn mit Medikamenten versorgt werden und so z. B. Tumoren gezielt therapiert werden könnten. Die WissenschaftlerInnen sehen in ihrem System einen wichtigen Schritt in Richtung der Diagnose sowie Behandlung von Erkrankungen des Gehirns, wie neurodegenerativer Erkrankungen oder auch Hirntumore.

Quelle:
Moscariello P et al., Unraveling In Vivo Brain Transport of Protein‐Coated Fluorescent Nanodiamonds. Small 2019; https://doi.org/10.1002/smll.201902992
PM des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung vom 30.08.2019

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