Wie Krebszellen das Immunsystem erblinden lassen

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Für Sie aufgespürt von Dr. Marcus Mau.

Im Kampf gegen veränderte Zellen im Körper, die zu Krebs werden können, leisten die T-Zellen des Immunsystems Schwerstarbeit. Fresszellen und B-Zellen entdecken Veränderungen und aktivieren sogenannte T-Zellen. Diese starten ein regelrechtes Vernichtungsprogramm. Das funktioniert in vielen Fällen gut – bis die Krebszellen derart mutieren, dass sie wie unter einer Tarnkappe verschwinden und dem Immunsystem auf diese Weise entkommen. Forscherinnen und Forscher der Universität Freiburg und der Leibniz Universität Hannover (LUH) haben nun aufgeklärt, wie ein Schlüsselprotein dieser als "Immune Escape" bezeichneten Strategie von Tumorzellen aktiviert wird.


Krebszellen machen sich für das Immunsystem unsichtbar: Von T-Zellen (in grün) ungehindert, können sie sich weiter im Körper teilen. Wissenschaftler haben nun einen wichtigen Schritt dieser Strategie namens "Immune Escape" aufgeklärt. [Bild: CIBSS/Universität Freiburg, Michal Rössler] 

Die ForscherInnen nutzten dafür biophysikalische, biochemische und immunologische Methoden. Sie hofften, in Zukunft Wirkstoffe zu entwickeln, die spezifisch in diesem Aktivierungsmechanismus wirken und die etablierten Krebstherapien mit so genannten Immun-Checkpoint-Inhibitoren zu verbessern. Die Ergebnisse stellte das Forschungsteam unlängst in seiner Studie im Fachmagazin Science Advances vor.

Sicherheitschecks des Immunsystems umgehen 


Checkpoint-Inhibitoren sind therapeutische Antikörper, die an Rezeptoren von T-Zellen wirken. Oberflächenproteine wie der Immun-Checkpoint Programmed Death 1 (PD1) sowie der Signalweg, den sie auslösen, beenden im gesunden Körper Immunantworten. Dadurch wird verhindert, dass Entzündungssymptome wie Rötungen, Schwellungen oder Fieber zu lange anhalten oder sogar außer Kontrolle geraten.

Krebszellen nutzen diesen Mechanismus ebenfalls, um den Körper gegen ihre eigene Vermehrung regelrecht hilflos zu machen. In Zellkulturen und mittels Interaktionsstudien stellten die ForscherInnen diesen Prozess nun nach und fanden dabei heraus, dass ein Signalprotein namens SHP2 in den T-Zellen zweifach an PD1 bindet, nachdem es von einem Signal der Krebszellen aktiviert wurde. Erst die doppelte Bindung an SHP2 vermittelt die Tarnkappenwirkung und schaltet die Antwort der Immunzellen schließlich ganz ab.

Antikörpertherapien, die Immuninhibitoren wie PD1 blockieren, sind z. B. zur Behandlung von Melanomen, Nierenkrebs und Lungenkarzinomen zugelassen und verlängern das Leben der Patientinnen und Patienten. Viele von ihnen leiden jedoch unter autoimmunen Reaktionen.

"Wirkstoffe, welche die für die T-Zellantwort im Krebsfall so fatale Bindung von SHP2 und PD1 verhindern, könnten in Zukunft helfen, Nebenwirkungen zu mindern und als Ergänzung oder Alternative zu Antikörpertherapien eingesetzt werden", erklärten die WissenschaftlerInnen.

Quelle:
Marasco M et al., Molecular mechanism of SHP2 activation by PD-1 stimulation. Science Advances 2020; 6:eaay4458
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

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