Nächtlicher Putzwahn im Gehirn
News: Wissenschaft
Für Sie aufgespürt und zusammengefasst von Dr. Marcus Mau.
Der Mensch kann sich im
Normalfall nur selten an seinen Schlaf erinnern, es sei denn, dieser war
schlecht. Zwar weiß die Wissenschaft heute, dass Schlaf für Wachstum,
Regeneration und geistige Fitness notwendig ist, doch werden die molekularen
Hintergründe noch immer wenig verstanden. Forscher aus den USA zeigten nun
kürzlich im Fachjournal Science, wie das Gehirn Stoffwechselprodukte und
anderen Ballast im Schlaf über Bord wirft.
Nahezu alle Tiere schlafen, wenn auch unterschiedlich lang.
Während der Körper sich in einer tiefen inneren Ruhe befindet und alle Skelettmuskeln
maximal entspannt sind, arbeitet unser Gehirn fast ebenso emsig weiter wie am
Tag. Es sortiert die Eindrücke und Erlebnisse und lässt uns die unwichtigen
vergessen oder die wichtigen als Erinnerungen abspeichern. Ganz ähnlich muss
auch die Reinigung der Nervenzellen selbst ablaufen, wie die Forscher um Lulu
Xie der Universität Rochester (USA) jetzt veröffentlichten.
Die Müllabfuhr hat
Nachtschicht
Unser Gehirn ist über die Blut-Hirnschranke vom Rest des
Körpers isoliert. Dennoch handelt es sich bei Nervenzellen um sehr
stoffwechselaktive Zellen, die beim Verbrauch von Zucker verschiedenste Abfallstoffe
anhäufen. Ganz ähnlich einem Verbrennungsmotor würde jede Nervenzelle ohne die
notwendige Pflege mit der Zeit verrußen und zerstört werden. Die Zellpflege geschieht
durch den beständigen Abtransport von Schadstoffen aus dem Zellinneren in die
umgebenden Zellzwischenräume. Im Gehirn ist das glymphatische System für den
Weitertransport zuständig. Es durchzieht das Gehirn in feinen Kanälen und ist
mit Hirnwasser gefüllt.
Um dieses System näher zu untersuchen, nutzten die Forscher
ein Mausmodell. Die Mäuse schliefen in einer Mikroskopierkammer und wurden im
Schlaf- und Wachzustand mit Kontrastmittel behandelt, welches die
Strömungsverhältnisse im glymphatischen System darstellte. Die Überraschung:
Die Strömung reichte viel tiefer in das Hirngewebe hinein, wenn die Tiere schliefen.
Zugleich änderte sich die Größe der Zellzwischenräume im Gehirn, sodass ihr
Anteil an der Hirnmasse im Schlaf von 14% auf 23% anstieg. Die Wissenschaftler
deuteten dies als Hinweis auf den sehr effizienten Abtransport von Stoffwechselendprodukten.
Bestimmt der Müll im
Gehirn, wann wir schlafen müssen?Die Forschungsergebnisse aus den USA lassen die Frage aufkommen, ob vielleicht sogar die Menge an Abfallstoffen in den Hirnzellen dafür sorgt, dass wir müde werden. Ist das Schlafbedürfnis vielleicht nur Ausdruck für das Bedürfnis des Gehirns, wieder einmal aufzuräumen? Aber, warum schlafen dann verschiedene Säugetierarten unterschiedlich lang? Und selbst Menschen sind nicht an bestimmte Zeiten gebunden; zwischen 5 und 9 Stunden können durchaus normal sein.
Die Forschungsarbeit von Lulu Xie und Kollegen wirft abschließend
eine große Reihe weiterer Fragen auf, deren Antworten zukünftig Licht ins
Dunkel um den Nachtschlaf bringen könnten.
Quelle:Xie et al. 2013. Sleep Drives Metabolite Clearance from the Adult Brain. Science 342(6156), 373-7; doi: 10.1126/science.1241224
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