Mit der Zahnbürste gegen Darmkrankheiten
News: Medizin
Für Sie aufgespürt und zusammengefasst von Dr. rer. nat. Marcus Mau.
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind entzündliche Darmerkrankungen und gehen wohl teilweise auf Veränderungen des Darm-Mikrobioms zurück. Dass solche Veränderungen ihren Ausgang am anderen, dem entgegengesetzten Ende unseres Körpers, nämlich in der Mundhöhle haben könnten, zeigte eine aktuelle Studie im Mausmodell.
Ectopic colonization of oral bacteria in the intestine drives TH1 cell induction and inflammation. Atarashi K et al. Science 2017; 358(6361): 359-365; DOI: 10.1126/science.aan4526
Für Sie aufgespürt und zusammengefasst von Dr. rer. nat. Marcus Mau.
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind entzündliche Darmerkrankungen und gehen wohl teilweise auf Veränderungen des Darm-Mikrobioms zurück. Dass solche Veränderungen ihren Ausgang am anderen, dem entgegengesetzten Ende unseres Körpers, nämlich in der Mundhöhle haben könnten, zeigte eine aktuelle Studie im Mausmodell.
Es sind immer
wieder solche Zufälle im Leben von Forschern, welche diesen Beruf so
abwechslungsreich und spannend machen. Wie sonst ist es zu erklären, dass
jemand auf die Idee kommt, nur weil Stuhlproben von Patienten mit entzündlichen
Darmerkrankungen auffällig viele Bakterien der Mundflora enthielten, hier auf
einen möglicherweise kausalen Zusammenhang zu schließen.
Atarashi und
Kollegen regte genau diese bloße Anwesenheit von Bakterien aus dem Mund in
Stuhlproben zu weiteren Experimenten an. In der Folge gewannen sie orale
Bakterienproben von Crohn- und Ulcerosa-Patienten, welche sie auf Mäuse übertrugen
– die Ergebnisse überraschten.
Antibiotikaresistenzen als Motor?
In einem ersten
Experiment nahmen die Studienautoren Speichel von Crohn- und Ulcerosa-Patienten
und „behandelten“ damit Mäuse, denen der Darm in einem vorausgegangenen Schritt
vollständig keimfrei gemacht worden war. Einige der Mäuse entwickelten
daraufhin Entzündungen des Darms, die mit entzündlichen Darmerkrankungen beim
Menschen vergleichbar waren.
Bei genauerem
Hinsehen zeigte sich zudem, dass vor allem Klebsiella
pneumoniae bei den Entzündungsreaktionen eine größere Rolle spielte. Dieses
Bakterium ist im Allgemeinen in der Mundhöhle zuhause und nur sehr selten in
Darm oder Stuhl anzutreffen.
Noch interessanter
wurde es, als die Forscher die Bakterien direkt in den Darm von gesunden, nicht
vorbehandelten Mäusen einbrachten. Diese Tiere entwickelten keinerlei Anzeichen
einer Entzündung. Wurden die Mäuse allerdings mit Antibiotika behandelt, welche
aufgrund vorbestehender Resistenzen auf Klebsiellen selektierten, dann traten
auch wieder die zuvor beobachteten Entzündungen im Darm der Tiere auf. Dies
zeigte sehr deutlich, dass Klebsiellen, die in der Tat gegen eine Vielzahl von
Antibiotika resistent sein können, die normale Darmflora nach einer
Antibiotikatherapie ersetzen und damit den Grundstein für entzündliche Darmerkrankungen
legen können.
Entzündungsreaktion durch T-Zell-Antwort
Die
Klebsiella-Stämme aus dem Speichel aktivierten im Darm TH1-Helferzellen,
die die weitere Immunantwort induzierten. „Insgesamt betrachtet, können
antibiotika-resistente Klebsiellen eine dysbiotische Darmflora in genetisch
vorbelasteten Patienten übernehmen und schrittweise ersetzen, was zu starken
Entzündungen im Darm führen kann“, so die Forscher.
Die Mundhöhle könnte
demnach eine Reihe darmpathogener Bakterien enthalten, welche Darmkrankheiten
fördern oder den Verlauf entzündlicher Erkrankungen verschlechtern. „Wenn sich
unsere Annahmen bestätigen, dann wäre es möglich, dass Crohn- und
Ulcerosa-Patienten vielleicht zukünftig mit desinfizierenden Medikamenten
behandelt werden“, so die Studienautoren abschließend. Zumindest jedoch wäre
eine Stuhlprobe und die Bestimmung der darin enthaltenen Bakterienspezies
angeraten, um etwaige Dysbalancen im Darm-Mikrobiom erkennen und ausgleichen zu
können.
Die Erkenntnis,
dass wahrscheinlich jeder Mensch sein ganz individuelles Darm-Mikrobiom trägt,
macht die Forschung und klinische Nutzung solcher Ansätze derzeit natürlich
noch nicht leichter. Allerdings ist vielleicht der nächste, alles verändernde
Zufallsbefund gar nicht mehr so weit. Bis dahin gilt jedoch: Ordentlich
Zähneputzen gegen entzündliche Darmerkrankungen und, nur um ganz sicher zu
gehen, den Antibiotikaeinsatz weiter reduzieren.
Quelle:
Ectopic colonization of oral bacteria in the intestine drives TH1 cell induction and inflammation. Atarashi K et al. Science 2017; 358(6361): 359-365; DOI: 10.1126/science.aan4526
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